Sonntag, 23. Januar 2011

Wikileaks und die Folgen - Rezension

Das jüngst bei Suhrkamp erschienene Buch "Wikileaks und die Folgen" erhebt mit dem Untertitel "Hintergründe und Konsequenzen" einen hohen Anspruch. Um es kurz zu machen: Diesem Anspruch wird das Buch nicht gerecht. Die Tatsache, dass es sich um einen Sammelband handelt, ist vermutlich dem Umstand geschuldet, dass hier möglichst schnell ein marktfähiger Titel zusammen gezimmert wurde, der sich auf den Markt werfen lässt, bevor das Thema möglicher Weise an öffentlichem Interesse wieder einbüßt.

Wer sich hier vor allem zu Wort meldet - Professoren, Diplomaten und Journalisten - kann nur bedingt als Experte im Bereich Internet und neue Medien gelten. Dennoch ragen einige Beiträge als lesenswert heraus. Zu nennen wäre hier etwa der amerikanische Journalist Raffi Khatchadourian, der doch mit einiger persönlicher Tuchfühlung von Julian Assange und Wikileaks zu berichten weiß. Auch der deutsche Journalist Niklas Hoffmann gibt eine durchaus lesenswerte, wenn auch viel zu kurz geratene Einführung in die theoretischen Grundlagen des "Kryptoanarchismus", wie ihn Julian Assange zum Teil selbst dargelegt hat. Das gleiche kann von Detlef Borchers Beitrag zum Thema "Cypherpunks" gesagt werden. Sobald sich aber Darstellung und Stil geisteswissenschaftlicher Schule annähern, wird die Sache schwierig. Die Schwelle zum essayistischen Geschwurbel ist dann schnell überschritten. Der Jurist Christoph Möllers und der Politologe Rahul Sagar bieten hier jedoch wohltuende Ausnahmen.

Sicherlich blitzen in den gut 220 Seiten viele bedenkenswerte Gedanken und Analysen auf. Doch beschleicht einen der Verdacht, es mit intellektueller Dauerware zu tun zu haben. Um tiefer in die Materie einzudringen fehlt den meisten Autoren vermutlich zweierlei: ein fundiertes technisches Verständnis der Informationstechnologie sowie Kenntnis und Verständnis der daraus letztlich hervorgegangenen Hacker-Kultur. Mehr Autoren mit größerer Nähe zur Netzkultur hätten hier Not getan. Zu denken wäre etwa an prominente Blogger, führende Mitglieder der Piratenpartei oder des Chaos Computer Clubs. Denn so entsteht der fade Beigeschmack, dass hier ein beherzter, aber letztlich misslungener Versuch des bestehenden Systems vorliegt, den Status Quo an neue gesellschaftliche Tendenzen zu adaptieren.

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