Sonntag, 16. Januar 2011

Die WIki-Revolution: Tunesien macht den Anfang

Schon merkwürdig. Was wurden damals für Salven gegen den Iran geschossen. Alle Journalisten des Westens schienen sich mit den alten, gegen Ahmadinedschad rebellierenden bürgerlichen Eliten zu verbünden. Twitter und Facebook wurden gelobt als das neue Medium der Demokratisierung.


Der Druck der Bevölkerung reichte im Iran damals nicht aus, um die Regierung zu stürzen. Nun gelingt das gleiche jedoch in Tunesien, und die westlichen Medien reagieren seltsam wortkarg. Zumindest der Standard aus Wien berichtet, dass wiederum die elektronischen Medien eine entscheidende Rolle gespielt haben. Sie haben zwar nicht die Revolution verursacht, jedoch wesentlich mit ermöglicht.

Die so andersartige Reaktion der westlichen Medien ist leicht zu erklären. Der tunesische Diktator Ben Ali war ja immer ein Freund des Westens. So unterzeichnete er 1995 brav ein Freihandelsabkommen mit der EU. 2008 wurde sein diktatorisch regiertes Land auch noch mit der EU assoziiert, womit einmal mehr gezeigt ist, wie es um das Demokratie-Verständnis der EU wirklich steht. Und natürlich ist Ben Ali  jetzt nach Saudi-Arabien geflohen, einer der finstersten Tyranneien des arabischen Raumes. Aber auch hierbei handelt es sich ja um gute Freunde des Westens, insbesondere der USA. Dem westlichen Medienkonsumenten wird jetzt auch eingebläut: Revolutionen wie in Tunesien führen zu Chaos, Plündereien und dem Brand eines Supermarktes.

Zurecht weisen Systemmedien wie SPON darauf hin, dass diese Revolution Vorbildwirkung für andere arabische Staaten haben kann. Aber, liebe SPON-Redakteure -- nicht nur für arabische Staaten, sondern auch für uns. Denn auch und gerade im angeblich so glückseeligen Westen gibt es wesentliche Gründe für eine friedliche Revolution:

  1. Alle Großen Staaten des Westens befinden sich am Rande des Staatsbankrotts. Eine derartige Verschuldungskrise gab es auch in Frankreich im Vorfeld der Französischen Revolution wie in den Ostblockstaaten der 80er Jahre vor dem Fall der Mauer.
  2. Die Medienrevolution des Internets ist ähnlich gravierend wie die Erfindung des Buchdrucks. Das muss aber massive Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft und damit auch auf die politische Kultur haben.
  3. Das System der repräsentativen Parteiendemokratie hat sich überlebt. Es passt nicht mehr in ein geistiges Klima, in dem politische Großideologien ausgedient haben. Deshalb befinden sich alle etablierten Parteien, vor allem die Volksparteien in der Krise. Wir brauchen neue Formen der Demokratie, die mehr Partizipation und Transparenz ermöglichen.
Nehmen wir uns ein Vorbild am tunesischen Volk und machen uns auf eine friedliche Revolution im Westen gefasst. Spätestens wenn die ganzen absurden Bankenrettungen und Rettungsschirme den deutschen Steuerzahler einholen und massive Steuererhöhungen und Leistungskürzungen ins Haus stehen, werden die Menschen auch hier auf die Straße gehen.

Für Tunesien besteht zu hoffen, dass so ehrenwerte Organisationen wie CIA und Konsorten die Unordnung in Tunesien nicht nutzen, um irgendwelche islamistischen Fanatiker an die Macht zu bringen. Damit die sich im freien Fall befindende Weltmacht USA nicht einmal mehr einen Kriegsgrund aus dem Hut zaubern kann, um mit zehntausenden Toten die Demokratie zu verteidigen.

Zum Schluss noch der Link zum Artikel des Wiener Standards und ein Film, der die Brutalität des diktatorischen Regimes Ben Alis zeigt:





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